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Zielsetzung eines drama- und theaterpädagogischen Fremdsprachenunterrichts Wie Fachdidaktiker oft festgestellt haben, können die Bereiche Drama und Theaterspielen mit

2.2 Dramapädagogik und Theaterpädagogik im Fremdsprachenunterricht

2.2.3 Zielsetzung eines drama- und theaterpädagogischen Fremdsprachenunterrichts Wie Fachdidaktiker oft festgestellt haben, können die Bereiche Drama und Theaterspielen mit

der Fremdsprachenvermittlung einhergehen (cf. Passon, 2015, S. 69, in Anlehnung an Manfred Schewe). Demzufolge ist es auch nicht verwunderlich, dass der zielorientierte Einsatz von Dramapädagogik und Theaterspielen im FSU in letzter Zeit ein zunehmendes Interesse gewonnen hat (vgl. ebd., S. 69, in Anlehnung an Almut Küppers, Torben Schmidt und Maik Walter).

Überdies mussten sich die Lehrkräfte von jeher große Mühe geben, ihren jungen Zuhörern den Lehrstoff mit dem Ziel vorzuspielen, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln und damit ihre Motivation zum Fremdsprachenlernen anzuregen. Seitens der Lehrer scheint die performative Fremdsprachenkompetenz demnach auf einem offenen Dialog zwischen Lehrer und Schüler im Klassenzimmer zu beruhen. In einem drama- und theaterpädagogischen FSU genügt es dennoch nicht, soziale Interaktionen im Realunterricht zu fördern. Gerade weil die Anwendung dramapädagogischer Verfahren selbst ästhetische Momente mit sich bringt, sollte der theaterästhetische Aspekt dabei nicht vernachlässigt werden. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass ein performativ aufgebauter Fremdsprachenunterricht sich daraus zusammensetzt, einerseits theaterästhetische individuelle Fähigkeiten sowie erworbene Erfahrungen mit dem Theater und der Gruppenarbeit in einem angegebenen Kontext einzusetzen, andererseits soziale Interaktionen mit dem Schwerpunkt auf dem theaterästhetischen Aspekt zu initiieren und auf der Grundlage eines zu entwickelnden ästhetischen Bewusstseins zu gestalten (vgl. ebd., S. 80ff.).

Ein wichtiges Arbeitsprinzip der Theaterarbeit im schulischen Fremdsprachenunterricht stellt die soziale Mimesis dar. Diese nachahmende Darstellung soll nicht als bloße Reproduktion der Lebenswirklichkeit angesehen werden, sondern als ästhetische Praxis, welche sowohl auf die Inszenierung wie auch auf die soziale Wahrnehmung und Sensibilität angewiesen ist.

Anderes ausgedrückt: In der Rollenübernahme verschaffen sich die Beteiligten eine spielerische Gegenwartsidentität durch ästhetische Augenblicke, zu denen der Zauber des Theaterspiels gehört36. Dies bedeutet aber nicht, dass Theaterpädagogik sich dem Primat der Ästhetik zuwendet. Vielmehr soll das unterrichtliche Theaterspielen einen ergebnisoffenen Interaktionsprozess zwischen Zuschauern und Darstellern sowie ein spezifisches Erfahrungswissen vermitteln.

Inszenierungen im FSU fordern dazu heraus, dass den Lernenden „geschützte Räume und angstfreie Zonen des Experimentierens“ zur Verfügung gestellt werden (Kurzenberger, 2012, S. 99). Dafür soll die Unterrichtsbühne einen Möglichkeits- und Schutzraum eröffnen, in welchem sich den Schülern die Gelegenheit zur persönlichen Entdeckung sowie zur leibhaftigen Aufführung der eigenen Vorstellungskraft und Körperlichkeit bietet. Darüber hinaus beansprucht Theater als Erfahrungsmedium und Lernform den spielerischen Entwurf

36 In seinem Beitrag zum Thema Mimesis greift Wiese (2003) auf den Zauber der Theaterarbeit zurück. Diesem Autor zufolge bleibe das empfangene Andere als solches im Spiel und gelte den Spielern als reiner Ausdruck, auf die sie die richtige Antwort finden könnten (s. Wiese, 2003, S. 201).

und situativ bedingtes Ausprobieren von Selbst- und Rollenbildern. In einem theater- und dramapädagogischen Unterricht soll hinlängliche Probenarbeit folglich den Schülern Anlass zu neuen Erfahrungen geben, indem sie sich zwischen praktischem Tun und kollektiver Reflexion über den bearbeiteten dramatischen Stoff entspannt bewegen (vgl. Hruschka, 2012, S. 169f.).

Ferner verhilft das Experimentieren in der künstlerischen Praxis dazu, das Fremdsprachenlernen von der Norm, vom Klischee und vom allzu Vertrauten zu befreien (cf.

Kirsch, 2011, S. 24; s. dazu Kurzenberger, 2012, S. 101). So erweckt gemeinsames Theatermachen oft den Eindruck, dass es sich dabei wohl um einen widersprüchlichen Vorgang handelt, welcher immer wieder in unsicheres Gelände führt. Dennoch gehört auch dies zum Spiel: Den Schülern muss im Rahmen des Unterrichts bewusstgemacht werden, dass szenische Lösungen nie fehlerhaft oder korrekt sind, sondern unterhaltsam oder langweilig, auffällig oder unauffällig, der ausgedachten Inszenierung eines dramatischen Textes förderlich oder unangemessen.

Einigkeit herrscht darüber, dass drama- und theaterpädagogische Ansätze sich einem ganzheitlichen Unterrichtskonzept widmen. Die auf diesem Merkmal basierende klassische Formel Pestalozzis „Lernen mit Kopf, Herz, Haut“ (s. Hollauf, 2014, S. 51, in Anlehnung an Manfred Schewe) zielt darauf ab, die Grundelemente des szenischen Lernens mit allen Sinnen zu erfahren. Dadurch bekommt die Fremdsprache eine neue körperliche Dimension, insofern theaterästhetisches Wissen sichtbar wird (vgl. Kirsch, 2011, S. 21).

Ein Fremdsprachenunterricht, der sich drama- und theaterpädagogisch und somit ganzheitlich versteht, erfordert wiederum kontinuierliche Arbeit zum einen mit der Bereitschaft zur Improvisation und zur Selbstkritik und zum anderen mit der Wahrnehmungssensibilisierung, mit dem Selbstvertrauen und mit der Anpassungsfähigkeit. So können sich die Schüler in einer Reflexionsphase darüber klarwerden, dass es beim drama- und theaterpädagogischen Lernen besonders um aktive Teilnahme am Inszenieren geht, indem sie sich ihrer Autonomie bedienen. Dies bedeutet zweierlei: Auf der einen Seite werden die Lernenden dazu aufgefordert, eine angemessene Lernform selbst zu wählen (s. Rösler, S. 38).

Auf der anderen Seite wird es ihnen ermöglicht, das eigene Kreativitätspotenzial freizusetzen,

„ihre sprachlichen Fertigkeiten zu nutzen und diese in der Arbeit an und mit dramatischen Texten und Methoden weiter auszubauen“ (Elis, 2015, S. 113). Dessen eingedenk kann man zweifelsohne festhalten, dass drama- und theaterpädagogischer FSU besonders einen Ansporn zum flexiblen und kreativen Sprachhandeln hervorruft.

Auf der Grundlage einer „Als-ob-Situation“ schafft der Einsatz von Dramapädagogik im FSU zudem einen freien Raum für das Einfühlen in verschiedene Rollenfiguren und gleichzeitig werden funktionale kommunikative Kompetenzen gefördert und vermittelt. Doch im Wesentlichen handelt es sich darum, dass durch den Vollzug schauspielerischer „Als-ob-Handlungen“ anderes gelernt wird als lediglich das Theaterspielen selbst, und zwar, dass die jungen Lernenden ihre ausgebildeten Fähigkeiten und Dispositionen auch in andere Lebenssituationen übertragen können (vgl. Hoppe, 2011, S. 120). Ferner fehlt es bei manchen dramapädagogischen Zugängen trotzdem an einer Einbettung der damit einhergehenden Lernaktivitäten in motivierende Kontexte (s. Elis, 2005, S. 89). Aus diesem Grund ist es vielleicht mehr denn je erforderlich, dass die künstlerische Aussagefähigkeit von theatralischen Übungen, Techniken und Methoden im FSU besonders dazu beiträgt, die Schüler sowohl auf die Rollenübernahme wie auch auf das Agieren in der Fremdsprache vorzubereiten37.

Nun stellt sich hier die Frage, wie die bereits erörterten Ziele drama- und theaterpädagogischer Arbeit im FSU mit dem Standardisierungsdiskurs des norwegischen Lehrplans für die Fremdsprache Deutsch harmonieren kann. Denn ästhetisch-performative Lernprozesse – wie oben erklärt – können Bereiche des Fremdsprachenlernens begünstigen, welche in den curricularen Vorgaben unzureichend berücksichtigt werden. Somit scheint es sinnvoll zu sein, im nächsten Unterkapitel auf diesen Punkt genauer einzugehen.

2.2.4 Drama- und Theaterpädagogik und der norwegische Lehrplan für die